Die TILDA (Bester Film einer Regisseurin)
Seit 2019 verleiht das Braunschweig International Film Festival den Frauenfilmpreis „Die TILDA“. Dieser ist seit 2023 mit 6.000 Euro dotiert, die von 75 Stifterinnen gespendet werden. Im Wettbewerb stehen acht internationale Produktionen.
Das Anliegen der Stifterinnen ist es filmschaffende Frauen in all ihrer Diversität sichtbar machen. Ein weiteres wichtiges Ziel des Filmpreises ist darüber hinaus, Regisseurinnen zu ermutigen, die am Anfang ihrer Karriere stehen und deren Werke nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.
Die Gewinnerfilme
2023: POWER ALLEY
Regie: Lillah Halla, Brasilien 2023, 99 Min.
JURY-STATEMENT:
Die diesjährige TIILDA geht an einen Film, der eine erstaunliche Balance zwischen einem soliden Drehbuch erreicht, das ein kontroverses, aber sehr relevantes Thema für Frauen auf der ganzen Welt anspricht, der herausragenden Leistung einer Gruppe junger Schauspielerinnen, die die Vielfalt einer Gesellschaft in ständiger Bewegung darstellen, einem fließenden Schnitt, der den Zuschauer unmittelbar in die Geschichte einbindet, und einem kraftvollen Soundtrack, der Dynamik verbreitet und es ermöglicht, noch mehr mit den Charakteren mitzufühlen.
Eine ausgezeichnete Zusammenstellung, geleitet von einer Regisseurin in ihrem ersten Spielfilm, die es uns ermöglicht, durch die Augen von Sofia zu sehen, wie Schwesternschaft und Unterstützung von den Nächsten die Stärke sind, die wir brauchen, um unerwartete Herausforderungen des Lebens zu meistern. Herzlichen Glückwunsch an Lillah Halla für die diesjährige TILDA für ihren Film POWER ALLEY.
Die Jury 2023
Dominique Ortmann
Stifterin. Irgendwas mit Kultur. Koordinatorin Sanierung und Neueinrichtung Braunschweigisches Landesmuseum. Archäologin mit Schwerpunkt Urgeschichte. Nachhaltigkeitsmanagerin. Feministin mit Herz für Tierschutzhunde und leidenschaftliche Kinogängerin.
Dr. Gabriele Heinen-Kljajić
Stifterin, Politologin, langjährige Kulturpolitikerin und ehemalige niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur.
Ixchel Coutiño
Geboren 1983 in Mexiko-Stadt. Studierte an der Filmschule Arte 7 in Mexiko-Stadt. Sie begann 2007 in der Filmbranche zu arbeiten und bekleidet seither leitende Positionen als Produktionsleiterin und ausführende Produzentin bei mehr als 25 Filmen national und international.
Jutta Feit
Jutta Feit ist Mitinhaberin von jip film und verleih, ein unabhängiger Frauengeführter Filmverleih/Filmproduktion, spezialisiert auf Impact-Distribution und Produktion. Sie ist Absolventin der Masterclass Non-Fiction der IFS-Köln, ausgebildete Fiction-Producerin Filmhaus Köln/Ihk, und EAVE Absolventin im Bereich Marketing. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie in der Filmindustrie in verschiedenen Rollen.
2022: PINK MOON
Refie: Floor van der Meulen, Niederlande/Slowenien 2022, 95 Min.
Bei einem gemeinsamen Abendessen verkündet der 74-jährige Jan seinen Kindern, dass er sein Leben an seinem nächsten Geburtstag beenden möchte. Besonders Tochter Iris reagiert geschockt und entführt ihren Vater aus Wut und Unverständnis für seinen Entschluss in die verschneiten Berge Sloweniens. Sie hofft, Antworten zu erhalten und auch einen Weg zu finden, mit Jans Wunsch umzugehen. Das leicht inszenierte Drama PINK MOON widmet sich sensibel und eindringlich dem Recht auf selbstbestimmtes und würdevolles Sterben. „Ein Film, der meine Wahrnehmung der Welt zeigt und der sich mit meinen größten Ängsten beschäftigt“, so Regisseurin Floor van der Meulen über ihr Debüt.
Biografie Regie:Floor van der Meulen, geboren 1989, studierte Audiovisuelles Design in Rotterdam und New York. Ihre Dokumentationen und TV-Produktionen wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet. PINK MOON ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin und Autorin.
JURY-STATEMENT
Die diesjährige TILDA geht an einen Film, der einen beispiellosen Spagat zwischen einer höchst persönlichen Erzählung und der Auseinandersetzung mit einer kontroversen, aber sehr relevanten gesellschaftlichen Fragestellung schafft. Aus der Perspektive einer Tochter, deren Vater ankündigt selbstbestimmt aus dem Leben ausscheiden zu wollen, inszeniert die Regisseurin nicht nur eine emotionale und nachwirkende Geschichte, in der sie eine fast schon schmerzhafte Intimität zu allen Hauptfiguren schafft, sondern eröffnet auch den Raum für eine ergebnisoffene Reflexion zum Thema Freitod. Gleichzeitig erlaubt sie dem Film eine lebensnahe Prise von Humor und authentischer Leichtigkeit. Ein hervorragendes Ensemble, das die Regisseurin mit beeindruckender Schauspielführung anleitet, trägt diese Balance ebenso wie handwerklich einwandfreies und kunstvolles Kameraspiel und Sounddesign. Wir beglückwünschen Floor van der Meulen zur diesjährigen TILDA für ihren Film PINK MOON.
Die Jury 2022
Sophie Brakemeier
Sophie Brakemeier ist Medienwissenschaftlerin, Filmkritikerin und Programmkoordinatorin beim goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films. Seit 2019 ist sie fester Bestandteil und ehemalige Redaktionsleitung des Projekts FILMLÖWIN - Das feministische Filmmagazin.
Prof.‘in Dr. Sabine Brombach
Stifterin, Professorin an der Ostfalia Hochschule, Schwerpunkt: Gender & Diversity. Sozialwissenschaftlerin, Frauenreferentin; Studienprojekte zum Thema: Frauen und Mädchen; Bildung, Beratung, Coaching. Beruflich tätig in Frankreich, Großbritannien, Marrokko, Äthiopien, Mongolei, Aserbaidschan, Indonesien.
Verena Gräfe-Höft
Verena Gräfe-Höft ist Hamburger Produzentin & Gründerin von JUNAFILM. Sie ist Mitglied des EAVE Producer Networksowie Alumna der European TV Drama Labs & Inside Pictures. 2017 wurde sie von German Films als Producer on the Move in Cannes gewählt. 2019 gewann sie den Produzentenpreis beim Filmfest Hamburg.
Dr. Gabriele Heinen-Kljajić
Nach dem Abitur in der Stadt Mechernich (1981) studierte Heinen-Kljajić an der Universität Bonn Politikwissenschaft, Germanistik und Soziologie (MA 1989). 1990 wurde sie im Rahmen des Forschungsprojekts "Rüstungskontrolle in Westeuropa" der Volkswagenstiftung wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Gießen, Frankfurt am Main und Jena. Sie war als Ministerin für Wissenschaft und Kultur Niedersachsens und ist bis heute in diversen Gremien in den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Bildung tätig.
2021: HIVE
Regie: Blerta Basholli, Kosovo/Schweiz/Nordmazedonien/Albanien 2021, 83 Min.
Wie viele Frauen im Kosovo hofft auch Fahrije auf Nachrichten über ihren Mann, der sieben Jahre nach dem Krieg immer noch vermisst wird. Von Witwen wird nicht erwartet, dass sie arbeiten, aber sie muss für ihre Familie sorgen und tut sich mit anderen Witwen zusammen, um ein Unternehmen zu gründen, das Ajvar herstellt. Und das, obwohl die Gemeinde sie schon dafür verurteilt, dass sie es wagt, Auto zu fahren! Der Film wurde von der wahren Geschichte von Fahrije Hoti inspiriert. Laura Wilson (Altitude Film): "Wir waren alle begeistert von HIVE. Es ist ein wunderschön gemachter, tief durchdachter Film, der abwechselnd wütend, unterhaltsam, bewegend und inspirierend ist.“ In Sundance hat der Film die Herzen des Publikums und der Jurys erobert!
Biografie Regie:1983 im Kosovo geboren. Regiestudium im Kosovo und in New York. Ihr Langfilmdebüt HIVE war der große Gewinner des Sundance-Filmfestivals, wo er drei wichtige Preise von Jury und Publikum gewann. Heute ist Basholli Kulturdirektorin in Pristina.
JURY-STATEMENT
Sieben Jahre nach Kriegsende im Kosovo sind es vor allem die Witwen, die die soziale Last der Verluste tragen. Fahrije hat wie viele andere Frauen ihren Mann während des Massakers von Krusha e Madhe verloren. Viele dieser Leichname wurde nie gefunden. Um einander bei der Suche nach den Vermissten und der Trauerarbeit zu unterstützen, haben die Frauen einen Verein gegründet. Auf der Suche nach einem Weg aus der Armut beginnen sie mit der gewerblichen Herstellung von Ajvar. Damit setzen sie sich gegen die Widerstände der traditionellen patriarchalen Umgebung durch. Die hohe Sozialkontrolle verurteilt bereits das Autofahren.
Einfühlsam und intensiv begleitet der Film Fahrije und mit ihr die Frauen um sie herum auf ihrem Weg in eine wachsende Eigenständigkeit.
Diese Geschichte basiert auf tatsächlichen Ereignissen in Folge des Massakers von Krusha e Madhe, bei dem über 200 Personen getötet und drei Viertel der Häuser niedergebrannt wurden. Der Film ruft dies in Erinnerung, zeigt aber, was sich durch die Nachrichten nicht vermittelt: Nach Jahren des Wartens und Suchens nach den Vermissten müssen die Frauen Wege finden, mit dem Unabänderlichen umzugehen. Dies geschieht undramatisch, zwischen Schmerz, Resignation, Realismus, auch Humor, so dass das Politische über das Persönliche erfahrbar wird.
Mit diesem Langfilmdebüt legt die Kosovarin Blerta Basholli eine reife Arbeit vor.
- Sabine Brombach, Heike Klippel, Jakobine Motz, Anna Wollner (TILDA-Jury 2021)
Die Jury 2021
Anna Wollner
Ist während des Studiums der Kommunikations-, Medien- und Theaterwissenschaft in Leipzig zufällig beim Uniradio gelandet. Sie arbeitet seit über 15 Jahren als Film- und Serienkritikerin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Jakobine Motz
Sie studierte Kamera an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Graduierte in Los Angeles in Cinematography. Sie arbeitet als Kamerafrau, Editorin, Filmautorin und Dozentin.
Heike Klippel
Stifterin, Professorin für Filmwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Veröffentlichungen zu Themen feministischer Filmtheorie, Gedächtnis, Zeit, Film und Alltag. Letzte Publikation: Poisons and Poisoning in Science, Fiction, and Cinema (2017), hg. mit B. Wahrig, A. Zechner.
Prof.‘in Dr. Sabine Brombach
Stifterin, Professorin an der Ostfalia Hochschule, Schwerpunkt: Gender & Diversity. Sozialwissenschaftlerin, Frauenreferentin; Studienprojekte zum Thema: Frauen und Mädchen; Bildung, Beratung, Coaching. Beruflich tätig in Frankreich, Großbritannien, Marrokko, Äthiopien, Mongolei, Aserbaidschan, Indonesien.
2020: SLALOM
Regie: Charlène Favier, Frankreich/Belgien 2020, 92 Min.
Begründung der Jury:
„Der Debütfilm „Slalom“ der französischen Regisseurin und Drehbuchautorin Charlène Favier zeigt einfühlsam, vielschichtig und überzeugend die perfiden Mechanismen auf, die hinter Missbrauch stecken – hier am Beispiel eines Skitrainers und seiner 15-jährigen Schülerin.
Die Machtposition des Erfolgstrainers, der die junge Frau mit einer Mischung aus Druck, Kritik, Lob und Bevorzugung an sich bindet; die Unsicherheit der Pubertierenden, die aufgrund ihrer abwesenden Mutter und einer fehlenden Vaterfigur besonders empfänglich für männliche Anerkennung ist, was sie scheinbar Grenzüberschreitungen akzeptieren lässt; die Unterstellung einer (Mit-)Verantwortung der jungen Frau für das übergriffige Geschehen. Die fast schon märchenhaften Schneeszenen zeigen, wonach die Jugendliche sucht, doch was sie findet, sind nicht Schönheit und Harmonie der Liebe, sondern sexuelle Ausbeutung, an der sie fast zerbricht.
Als sie beim Erreichen ihres Traumes, dem Sieg im Skirennen, statt Freude nur Leere empfindet, gelingt es ihr mit dem Rückhalt ihrer Freundin und ihrer Mutter, sich von ihrem Trainer loszusagen und den Missbrauch zu beenden. Die subtile Dramaturgie, die Kameraführung mit ihrer Nähe zur Hauptfigur, die beeindruckende Schauspielleistung und die emanzipatorische Botschaft zeichnen diesen Film aus.“
Die Jury 2020
Heike Klippel
Professorin für Filmwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Veröffentlichungen zu Themen feministischer Filmtheorie, Gedächtnis, Zeit, Film und Alltag. Letzte Publikation: Poisons and Poisoning in Science, Fiction, and Cinema (2017), hg. mit B. Wahrig, A. Zechner.
Borjana Gaković
Medienpolitische Sprecherin des Bundesverbandes kommunale Filmarbeit e.V.
Film- und Medienwissenschaftlerin, und Redakteurin der kinopolitischen Quartalszeitschrift Kinema Kommunal. Mitglied der Auswahlkommission von DOK Leipzig 2020.
Margrit Lang
Stifterin
Lehrerin für Kunst, Film und Darstellendes Spiel. Ausbildung zur Filmlehrerin an der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Anleitung von schulischen Kurzfilm-Projekten.
Kirsi Liimatainen
Regisseurin und Schauspielerin
Arbeitete zuerst als Schauspielerin in Finnland und studierte dann Filmregie an der Filmuniversität in Potsdam. Ihr letzter Film COMRADE, WHERE ARE YOU TODAY? erhielt den „Metropolis“-Preis 2017. Zu ihren Arbeiten zählen Filme, Theater und TV-Dramen.
Dr. Wibke Westermeyer
Stifterin
Wissenschaftliche Redakteurin am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig. Mitwirkung bei Ausrichtung und Juryarbeit eines Tourismusfilmpreises.
2019: LOVEMOBIL
Regie: Elke Margarete Lehrenkraus, Deutschland 2019, 103 Min.
JURY-STATEMENT
Ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm über Sexarbeiterinnen, die in Wohnmobilen an niedersächsischen Landstraßen arbeiten. Ein Film der leisen Töne, der sich Zeit nimmt und sehr private Einblicke in das Gefühlsleben der Protagonistinnen gewährt. Er lässt uns unmittelbar teilhaben an den Hoffnungen und Ängsten, der Einsamkeit und Verzweiflung der Frauen – eine erstaunliche Leistung, ermöglicht durch die dreijährige Drehzeit, in der sich das Filmteam mit Sensibilität und Respekt das Vertrauen der porträtierten Frauen erarbeitete. Ungewöhnlich für einen Dokumentarfilm ist, dass das Filmteam unsichtbar und vor allem unhörbar bleibt, doch dies gibt den porträtierten Frauen den Raum, ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Im Zentrum des Films stehen Milena aus Bulgarien und Rita aus Nigeria sowie Uschi, die als Zuhälterin und Vermieterin fungiert. Ihre Intelligent und Würde stehen in starkem Gegensatz zum entmenschlichenden Prozess, bei dem sich die Freier die Dienste und, so scheinen es einige wahrzunehmen, auch die Frauen selbst kaufen. Der Film beeindruckt mit langen, sorgfältig gewählten Einstellungen und originellen Bildern. Gekonnt wird der beengte Raum in den Wohnmobilen mit der offenen Landschaft der Umgebung kontrastiert.
Ein mutiger und innovativer Film!
Die Jury 2019
Heike Klippel
Professorin für Filmwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Veröffentlichungen zu Themen feministischer Filmtheorie, Gedächtnis, Zeit, Film und Alltag. Letzte Publikation: Poisons and Poisoning in Science, Fiction, and Cinema (2017), hg. mit B. Wahrig, A. Zechner.
Frauke Kolbmüller
Die Leipzigerin studierte u.a. Filmproduktion (M.A). Als freie Producerin arbeitete sie u.a. mit Wüste Film. 2015 gründete sie die Oma Inge Film in Hamburg, deren dritte Produktion SYSTEMSPRENGER ist. Sie ist Mitglied der Europäischen Filmakademie.
Joanna Łapińska
Programmdirektion des Transatlantyk Festival, Mitglied der Europäischen Film Akademie. Davor arbeitete sie fast 15 Jahre für das New Horizons International Film Festival, seit 2007 als künstlerische Leiterin.
Dr. Wibke Westermeyer
Wissenschaftliche Redakteurin am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig. Mitwirkung bei Ausrichtung und Juryarbeit eines Tourismusfilmpreises.
Dr. Maxa Zoller
Künstlerische Direktorin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund | Köln. Sie arbeitet als freie Filmkuratorin unter anderem für Art Basel und unterrichtete zuletzt Film- und Kunstgeschichte an der Amerikanischen Universität Kairo.