Braunschweig, 12. November 2023. „Braunschweig und Hannover sind Freunde!“ Denise M’Baye, die im vergangenen Jahr für ihre Rolle in THE ORDINARIES den Heimspiel Preis abräumte, machte schon zu Beginn klar: Nicht nur die Filmschaffenden bilden eine Familie, sondern auch Braunschweig und Hannover gehören zusammen. Die in Hannover lebende Schauspielerin bildete als Moderatorin eine charmante Klammer für den Abend – ja, sie umarmte ihn förmlich.
Es war ein Abend voller Überraschungen. Bei den beiden jeweils mit 10.000 Euro hochdotierten Preisen Volkswagen Financial Services Filmpreis sowie Der HEINRICH waren sich Jury und Publikum offenbar überaus einig. Denn: beide Preise gingen an das Drama WHEN IT MELTS, das bei dem 37. Braunschweig International Film Festival (BIFF) seine Deutschlandpremiere feierte. Die Schauspielerin Veerle Baetens feierte mit diesem Werk ihr Regiedebüt – und war sichtlich gerührt: „Filme zu produzieren ist ein sehr langer Weg. Dabei geht es für mich darum, Menschen eine Plattform zu geben, die nicht gesehen werden.“ Co-Autor Maarten Loix fügte hinzu: „Wir haben mit keinem Preis gerechnet, und ganz sicher auch nicht mit zweien.“ Baetens verriet, dass sie derzeit an ihrem zweiten Film arbeite. Die Preisgelder seien dafür eine große Hilfe.
„Der Film ist eine Erinnerung daran, dass das Leben in seiner Vielfalt existiert.“
Beeindruckt waren die Gäste des Abends auch von dem Engagement der Braunschweiger:innen: gleich mehrere Preise werden aus der Braunschweiger Stadtgesellschaft heraus ermöglicht, darunter auch Die TILDA, die von 75 Frauen gestiftet wird. Sie ging an die brasilianische Filmemacherin Lillah Halla, die für ihren Film POWER ALLEY ausgezeichnet wurde. „Ich könnte kaum glücklicher sein“, strahlte sie über eine Videobotschaft und berichtete passend: „Mein nächster Film wird übrigens in Niedersachsen gedreht!“ Apropos Niedersachsen. Auch der Heimspiel Preis ist ein großes Ausrufezeichen – er ehrt Produktionen mit regionalem Bezug. Er ging an die Gifhornerin Vanessa Donelly für ihre Arbeit für THE ANGEL IN THE WALL. Die Filmkomponistin beschrieb ergriffen: „Musik ist meine Leidenschaft. Es ist das, was ich am besten kann und was ich mein ganzes Leben schon mache.“ Dabei will sie mit ihren Kompositionen keinesfalls im Hintergrund verweilen: „Ich wünsche mir, dass die Menschen aus dem Kino herauskommen und direkt nach der Filmmusik suchen.“
Ein erfrischendes Trio auf der Bühne bildeten auch die Autorin und Komponistin Dr. Michaela Dudley, die Tatort-Kommissarin Karin Hanczewski sowie die Produzentin Sophie Ahrens – die Jury des ECHT. Verliehen wurde er an Tünde Skovrán für den Dokumentarfilm WHO AM I NOT. „Der Film ist eine Erinnerung daran, dass das Leben in seiner Vielfalt existiert. Er bestärkt: Die queere Community will keine Sonderrechte, sondern einfach nur ihre Rechte“, so Dudley. Das unterstrich auch Skovrán: „Die Natur ist es nicht, die Grenzen zwischen uns zieht – wir sind es.“ Eine lobende Erwähnung sprach die Jury des ECHT unterdessen für ALONG CAME LOVE aus, von Regisseurin Katell Quillévéré. „Ein begeisterndes Drama, das uns als Jury nachhaltig beeindruckt hat.“
Deutsch-französischer Jugendpreis KINEMA für Angela Ottobah
Der Kurzfilmpreis Die EDDA ging in diesem Jahr nach Estland: Priit Tender durfte sich über eine Auszeichnung für DOG-APARTMENT freuen. Selbst per Video dazu geschaltet sorgte er für einen Lacher im Saal. „Nun kann ich also voller Stolz sagen: Ich bin ein Braunschweiger.“ Über gleich mehrere Nominierungen durfte sich Regisseurin Angela Ottobah freuen, die bei dem BIFF die Deutschlandpremiere zu RAPTURE präsentieren konnte. Sie geht mit dem deutsch-französischen Jugendpreis KINEMA nach Hause. „Angela Ottobah erzählt eine Geschichte unerschöpflicher Resilienz von Kindern angesichts Missbrauchs und elterlicher Einflussnahme“, erklärte die aus sechs Schüler:innen bestehende Jury.
Mit dem Green Horizons Award wird indes der beste Film zum Thema Nachhaltigkeit geehrt – er ging an Regisseur Matthieu Rytz für DEEP RISING, ein Werk über das empfindliche Ökosystem der Tiefsee. Jurymitglied Alessandro Lombardo (mindjazz pictures) dazu: „Jeder Film dieser Reihe bringt ein wichtiges Thema, und verdient es, geschaut zu werden. Manche Filmschaffende haben bis zu zehn Jahre Arbeit in ihr Werk investiert.“ Preisträger Rytz gab die Blumen sinngemäß weiter: „Ich freue mich vor allem für unseren Planeten und den Ozean, dass der Film diesen Preis gewonnen hat. Es ist schön, dass ich diese Geschichte mit Euch teilen kann.“
Eline Doenst: Eine vielversprechende Schauspielzukunft
Vormerken sollten sich Cineast:innen unbedingt auch die 2006 geborene Eline Doenst. Die Berlinerin spielt die Hauptrolle in JONJA von Regisseurin Anika Mätzke – bei der Preisverleihung gab es dafür den mit 5.000 Euro dotierten Braunschweiger Filmpreis, der sich an den besten deutschsprachigen Schauspielnachwuchs richtet. Von der Jury gab es wärmste Worte: „Eine bemerkenswerte Darbietung, die uns tief beeindruckt hat. Selbst in den Momenten, in denen Du im Film nicht gesprochen hast, bist Du wahrhaftig. Zerbrechlich, dabei gleichzeitig undurchdringlich und selbstbewusst.“ Und weiter: „Geh unbedingt weiter Deinen Weg, wir sehen für Dich eine vielversprechende Zukunft in der Filmbranche.“ Doenst selbst fehlten die Worte. „Das Schauspiel macht mir so viel Freude – ich liebe es. Und heute fühle ich mich einfach nur wahnsinnig geehrt“, so die Berlinerin.
Cécile de France mit Geschichten über die Menschlichkeit
Eine Lobeshymne verteilte der Filmkritiker Michael Ranze, der die Laudatio für die Die EUROPA Preisträgerin Cécile de France hielt. „Definitiv lässt sich sagen: Cécile de France hat vor 36 Jahren den richtigen Beruf ergriffen. Sie ist eine verdammt gute, vielseitige Schauspielerin – sie liebt die Gegensätze und die Vielfältigkeit.“ Eine Belgierin, die zu den bekanntesten französischsprachigen Schauspielerinnen zählt – eine Europäerin. Ranze: „Cécile de France ist eine Wanderin zwischen den Schranken Europas, drum ist der Preis Die EUROPA der perfekte Preis für Sie.“ De France selbst bedeutete die Ehrung viel. „Ich bin einfach eine sehr glückliche Schauspielerin, weil ich genau diesen Job machen und dabei Geschichten über die Menschlichkeit erzählen kann.“
Überreicht wurde der mit 25.000 Euro höchstdotierte Preis von Anthony Bandmann, Vorstand von Hauptsponsor Volkswagen Financial Services. „Der Dank geht neben den vielen tollen Schauspieler:innen und Filmemacher:innen vor allem auch an das Filmfest selbst, die mit dem Braunschweig International Film Festival Glamour nach Braunschweig bringen“, so Bandmann. Auch Moderatorin M’Baye bekräftigte zum Abschluss in Richtung aller Filmschaffenden: „Ganz gleich ob Ihr heute Abend gewonnen habt oder nicht – Ihr alle habt lange und hart an Euren Werken gearbeitet. Darum seid Ihr, so oder so, alle echte Held:innen!“
Am heutigen Sonntag, den 12. November, finden die letzten Vorstellungen und Veranstaltungen des 37. Braunschweig International Film Festival statt. Weitere Informationen dazu gibt es auf www.filmfest-braunschweig.de sowie tagesaktuelle Hinweise auf den Social-Media-Kanälen des Festivals.
Preis | Preisgeld | Gewinner:in |
Die EUROPA | 25.000 Euro | Cécile de France |
Volkswagen Financial Services Filmpreis | 10.000 Euro | WHEN IT MELTS Regie: Veerle Baetens Belgien, Niederlande 2023 |
Der HEINRICH | 10.000 Euro | WHEN IT MELTS Regie: Veerle Baetens Belgien, Niederlande 2023 |
Die TILDA | 6.000 Euro | POWER ALLEY Regie: Lillah Halla Brasilien, Frankreich, Uruguay 2023 |
Braunschweiger Filmpreis | 5.000 Euro | Eline Doenst in JONJA Regie: Anika Mätzke Deutschland 2023 |
ECHT | 2.500 Euro | WHO I AM NOT Regie: Tünde Skovrán Rumänien, Kanada 2023 |
Green Horizons Award | 2.500 Euro | DEEP RISING Regie: Matthieu Rytz USA 2023 |
Die EDDA | 2.000 Euro | DOG-APARTMENT Regie: Priit Tender Estland 2022 |
Deutsch-französischer Jugendpreis KINEMA | 2.500 Euro | RAPTURE Regie: Angela Ottobah Frankreich 2023 |
Heimspiel Preis | 2.500 Euro | Vanessa Donelly für THE ANGEL IN THE WALL Regie: Lorenzo Bianchini Italien 2022 |
Zehn Preise | 68.000 Euro |